Funktionseinschränkungen der Sinne mit zunehmendem Alter
Sensorische Wahrnehmung und deren Beeinträchtigung beeinflussen unser Leben enorm.
Ab etwa dem 60.Lebensjahr kommt es zu verschiedenartigsten Minderungen der Sinneswahrnehmung. Diese Funktionsstörungen beeinträchtigen nicht nur im jeweiligen Bereich im täglichen Leben sondern bergen ein Risiko, an Demenz zu erkranken, besonders bei gleichzeitig 3 oder mehr Sinnesstörungen. Ebenso ist das Risiko erhöht, depressive Symptome zu entwickeln.
Hörstörungen: auch bei otologisch Gesunden kommt es ab dem 60. Lebensjahr zu einem Abfall der Hörschwelle von 1dB pro Jahr. Je höher die Hörminderung ist, desto größer ist das Risiko für eine auftretende Demenz! Hörstörungen sind mit gehäuftem Auftreten von psychischen Störungen und Erkrankungen assoziiert und Depression. Hörminderung erhöht das Risiko von Stürzen. Schwindel ist durch Störungen des Gleichgewichtssystems bedingt, Hauptrisikofaktor für das Auftreten von Stürzen im höheren Lebensalter.
Dem kann man vorbeugen, doch leider nutzen noch viel zu wenige Menschen ein Hörgerät. Gleichgewichtstraining sollte auch von noch nicht Betroffenen täglich durchgeführt werden, es mindert die Sturzhäufigkeit um 23%.
Sehstörungen: ab dem 45.Lebensjahr nehmen durch physiologische Veränderungen der Augenlinse Sehstörungen zu. Zunächst ist die Kontrastwahrnehmung betroffen und die Möglichkeit, sich an veränderte Lichtbedingungen anzupassen. Es kann zur Linsentrübung (grauer Star) kommen, der weltweit häufigsten Ursache von Blindheit. In Deutschland sind altersabhängige Makuladegeneration und Glaukom die häufigste Erblindungsursachen. Generell weisen ältere Menschen mit vermindertem Sehvermögen häufiger kognitive Einschränkungen auf und sind häufiger demenzkrank.
Vorbeugung ist in Deutschland relativ einfach mit Brillenversorgung, Kontaktlinsen, Kataraktoperationen, Glaukomprophylaxe möglich.
Riechwahrnehmung: Das Riechvermögen lässt mit dem Alter nach und ist ab dem 80. Lebensjahr bei einem 1/3 der Menschen nicht mehr vorhanden. Eine fehlende Riechwahrnehmung hat weitreichende Folgen für die Wahrnehmung von Gefahren (Giftstoffe, Brand etc.). Auch der belohnende Faktor des Genusses von Essen und Trinken ist erheblich eingeschränkt. Bei ca. 1/3 der Menschen mit Riechstörungen lässt sich eine depressive Verstimmung und verminderte Lebensqualität nachweisen. Außerdem kommt es zu einer Verminderung der gustatorischen Wahrnehmung (süß, sauer, salzig, bitter). Eine Therapie ist praktisch nicht möglich.
Tastsinnsystem: Es ist vorgeburtlich und lebenslang für aktive und passive Tastsinnesleistungen des Menschen verantwortlich. Ab dem 20. Lebensjahr nimmt die Wahrnehmungsgüte an den Fingerspitzen pro Jahr um 1% ab. Altersabhängige Abnahme der propriozeptiven Leistungen geht meist mit Gleichgewichtsstörungen einher.
Training der Propriozeption kann bis ins hohe Alter vorbeugen. Das Bedürfnis nach sozialen Körperinteraktionen bleibt unverändert bestehen. Diese haben positive Einflüsse auf Depression, Angst, Nahrungsaufnahme sowie einen Rückgang aggressiver, unruhiger Verhaltensweisen bei Demenzkranken.
Die Kombination von Sinnesstörungen bewirkt ausgeprägtere Einschränkungen im täglichen Leben. Multimodale Therapieansätze können Alterungsprozesse verzögern.
Dt.Ärzteblatt,Jg.118, Heft 29-30,28.Juli 2021