Faszien – Hype der letzten Jahre
„Für alle Beschwerden sind Faszien verantwortlich“, solche Schlagworte sind immer häufiger zu hören, was ist wirklich daran? Dr. C. H. Ullrich erläutert, was wirklich dran ist am Hype Faszientherapie und Faszientraining.
Faszien sind von enormer Bedeutung für unseren Körper, für die Funktionsfähigkeit, für unsere Beweglichkeit, unser Wohlbefinden und unsere Missempfindungen – sie sind ein wichtiger Bestandteil unseres Körpers, die Bedeutung ist seit Jahrzehnten den Fachleuten bekannt, jetzt kommt die Modewelle Faszien über uns!
Der Mensch hat über 200 Knochen, über 600 Muskeln aber Faszien sind ein Netzwerk, ein zusammenhängender Überzug. Sie sind jedoch mehr als passive Hüllen der Skelettmuskulatur. Dieses elastische Fasernetzwerk umhüllt nicht nur Muskeln und Sehnen sondern auch alle inneren Organe bis hin zum Gehirn, sie ziehen z.T. durch die Muskulatur, sie sind mit Rezeptoren für die Schmerzempfindung ausgestattet, ihr Spannungszustand ist für unsere Steifigkeit verantwortlich. Bewegungsmangel führt zu Verklebungen und Verfilzungen der Faszien, dadurch wird die Beweglichkeit eingeschränkt. Man kann sie sich wie eine aufgeschnittene Apfelsine vorstellen, deren Fasern die Frucht umhüllen aber auch durch sie hindurchziehen.
Faszien sind nicht wie bisher angenommen nur bindegewebige Hüllen, sondern verbinden Muskeln und übertragen Kräfte im ganzen Körper. Sie reagieren auf Druck und Zug, bei Aktivierung eines Muskels kommt es durch Faszienketten zu Reaktionen in anderen Körperregionen. Sie brauchen Dehnung und Bewegungsbelastung. Die dickste Faszie unseres Körpers ist die Plantarfaszie unter dem Fuß. Sie neigt besonders gerne zur Verkürzung und verursacht vielerlei Beschwerdebilder. Ich schätze, dass ca. 80 Prozent der Fersenschmerzen durch verkürzte und verklebte Plantarfaszien verursacht sind. Der viel zitierte „Fersensporn“ ist meist nur ein Zufallsbefund, der für die Fußschmerzen nicht ursächlich verantwortlich ist.
Ohne Faszien ginge bis zur Hälfte der Kraftübertragung verloren, die Speicherkapazität der sehnigen Anteile bewirkt einen Katapulteffekt wie bei elastischen Sprungfedern. Bekannt ist es bereits bei Kängurus und Gazellen, doch auch der Mensch besitzt eine derartige Speicherkapazität.
Faszientraining kann zur Behandlung vieler Erkrankungen kausal beitragen. Dies betrifft chronische Schmerzsyndrome, Fibromyalgie, Rücken- und Gelenkbeschwerden aber auch Kopfschmerzen und Schlafstörungen.
Faszientraining zielt auf eine Verbesserung der Dehnfähigkeit, Lösung und Verhinderung von Verklebungen und eine Verbesserung der Speicherkapazität, insgesamt auf eine Optimierung des muskulären Zusammenspieles.
Wie? Faszien lieben es, gedrückt, geschoben, gezogen und bewegt zu werden!
Streichen Sie ihre Gewebe aus, massieren Sie sich, Sie können mit einer Rolle (gibt es in allen Größen) an Armen und Beinen entlanggehen oder den Rücken abrollen (dabei ist es besser, wenn Sie eine Rolle mit mittlerer Aussparung nehmen um Ihre Dornfortsätze zu schonen), exzentrisches Training an einer Stufe durchführen (Seite 20 oder 54 in „Training ohne Reue“), dehnen und strecken Sie sich (Seite 26, 44, 46,49, 56).
Führen Sie verschiedenartigste Bewegungen durch, unser Körper mag keine Einseitigkeit. Hüpfen, Laufen, Springen, Koordinationsübungen (Seite 70ff), immer wieder wechselnde Bewegungen, das gilt auch am Computerarbeitsplatz!
Arbeiten Sie Faszientraining in Ihren Tagesablauf (Seite 115 ff) ein, es steigert körperliche und geistige Fitness.
Dr. med. C. H. Ullrich